Also denken Sie dieses Konzept „Wahrheit“ erstmal zu Ende, indem Sie ihn von sämtlichen Machtkonnotationen, von den trügerischen Hüllen des Geltens befreien. Ich meine nicht analytisch, indem Sie mit Kraftaufwand etwas zerlegen, was zusammen gehört, aber umgekehrt, wie Sie sich aus einer Falle befreien würden, in die Sie nicht gehören.
Also lassen Sie Macht – Macht sein, und Wahrheit – Wahrheit, denn Sie müssen Wahrheit nicht verkaufen, also befreien sie sie aus der Verpackung. Wofür auch? Wenn Sie eine Katze im Sack vorfinden, weil sie irgendjemand überwältigt hat, wissen Sie, dass eine Katze nicht in den Sack gehört, es sei denn, die Katze wird zum Kauf angeboten.
Es kann für mich also nur die Wahrheit des Subjekts geben, keine Wahrheit mehrerer Subjekte, aber auch nicht eine beliebige Wahrheit. Die Wahrheit ist ein Zustand, aber kein Ergebnis, das sich irgendwie kommunizieren oder (in Worte) verpacken läßt, um es dann als eine Geltung zu verwerten.
Eine Wahrheit kann man demnach nicht haben, man kann sie nur sein.
Deshalb kann Wahrheit auch nie relativ sein, denn hier und jetzt ist sie absolut, die Wahrheit eben. Die reine Wahrheit lebt davon, dass sie Hüllen entgeht. Sie wird verworfen, um wieder gefunden zu werden, das Suchen gehört dazu. Diese Wahrheit gibt Sinn und deshalb viel mehr Wert, als eine schön verpackte Geltung auf Vorrat, zum speichern und verwerten.
Eine als Geltung verzeichnete Wahrheit würde auch nichts außer Legitimation welcher auch immer Machtansprüche bringen, und was kann ein Subjekt mit dem Sinn der Anderen anfangen, außer ihm zu erleiden?
Der Eindruck, keine eigene Wahrheit zu sein und sich auch nicht nach diesem Zustand zu sehnen, entsteht aus einem anderen Zustand heraus – dem des Überwältigtseins. Die Sinnlosigkeit ist kein natürlicher Zustand, sie bricht erst dann ein, wenn ein enormer Kraftaufwand von Außen erfolgt, aus einem fremden Sinnanspruch heraus.
Hier würden Sie wohl fragen, was motiviert diese ganzen Ansprüche? Für mich ist es die Angst vor dem Überwältigtsein durch eine Macht, die vor einem war. Ich verdränge willentlich meine Sehnsucht nach Wahrheit, wenn ich Angst vor Sanktionen habe, nicht vor Verantwortung, denn ich verantworte auch so jeden Schritt, sonst könnte ich nicht laufen. Ich kann auch keine Verantwortung für Andere übernehmen, ohne sie (überwältigt) zu haben (sonst würden sie ihre eigene Verantwortung nicht abgeben wollen, wofür denn auch?).
Also wenn das Subjekt eine eigene Wahrheit ist und sie auch selbst verantwortet, braucht es keine fremde oder wie auch immer „gültige“ Wahrheit.